Garagen erzählen – Zwei Literaturabende in der europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz

Die Garage war in der DDR einer von den wenigen Räumen, der sich nicht unmittelbar unter der Kontrolle von Staat, Partei und Betrieb befand. Der Garagenhof stand allen offen – allen, die es geschafft hatten, ein Automobil zu ergattern. Hier war Platz zum Basteln, Schrauben, Horten, Grillen und Trinken, hier funktionierte ein informelles und ungesteuertes Zusammenleben, das dem Individualismus Platz ließ. Die meisten Garagenhöfe überdauerten das System und die Zeit, sie haben von ihrer Faszination nichts eingebüßt. Keine Überraschung also, dass die ostdeutsche Garage als Sehnsuchts- und Alltagsort eine so große Rolle in der Literatur spielt. An zwei Abenden im Oktober spüren wir gemeinsam mit Lutz Seiler und Burkhard Müller im Weltecho Chemnitz dem Motiv der Garagen in der Literatur nach. Die Lesungen sind Teil des Kulturhauptstadtprogramms Chemnitz2025 und werden durch „EUJA! Initiativprojekte für das Kulturhauptstadtjahr“ der Sparkasse Chemnitz gefördert.

Beide Veranstaltungen finden jeweils 20 Uhr im Weltecho, Annaberger Str. 24, 09111 Chemnitz, statt. Der Eintritt ist frei.

Garagen erzählen – Lesung mit Lutz Seiler am 6. Oktober 2025, 20 Uhr

Lutz Seiler, preisgekrönter Bestseller-Autor (u.a. „Kruso“), liest am 6. Oktober 2025, 20 Uhr unter dem Motto „Garagen erzählen“ aus seinem Werk, in dem die Garage immer wieder eine zentrale Rolle spielt und spricht mit dem Publikum über die literarische Bedeutung der Garage. Ausgewählte Bücher des Autors werden vor Ort erhältlich sein.

Geschichten vom Ort, wo Autos und Menschen sich treffen – Lesung mit Burkhard Müller am 20. Oktober 2025, 20 Uhr

Der Literaturkritiker und Dozent der TU Chemnitz Burkhard Müller liest am 20. Oktober 2025 ausgewählte Geschichten verschiedener Autorinnen und Autoren vor „vom Ort, wo Autos und Menschen sich treffen“.

Echoes of the East

Ein Gastbeitrag von Leah Bonvin


Was haben ostdeutsche Garagenhöfe eigentlich mit dem zu tun, was das Programm der Kulturhauptstadt Chemnitz2025 Eastern State of Mind1 nennt? Dieser Frage bin ich in meiner Masterarbeit im Rahmen des Studiengangs Critical Urbanisms an der Universität Basel nachgegangen. In Zusammenarbeit mit dem Projektteam der #3000Garagen der Kulturhauptstadt untersuchte ich die Chemnitzer Garagenhöfe in Bezug auf den Begriff der Postsozialistischen Stadt. Wenn Chemnitz2025 diese als „Seele des Ostens“ mit einer „Macher-Mentalität“ und einem starken, aus der DDR übernommenen Solidaritätsgefühl beschreibt, so zeigt meine Arbeit eine differenziertere Realität als die idealisierte Darstellung dieses sogenannten Eastern State of Mind.
In meinen Feldbeobachtungen zeigt sich die Ambivalenz der derzeitigen Situation der ostdeutschen Garagen. Einerseits ist die strukturelle Lage der Anlagen fragil: Die Vorstände der Garagengemeinschaften haben große Schwierigkeiten, neue Leute für die Vorstandsarbeit zu begeistern. Parallel zu dieser langen Agonie beklagen die vor Ort angetroffenen Garagennutzer: innen den Verlust nachbarschaftlicher Beziehungen und äußern die Sehnsucht nach einer verloren Sozialität. In mehreren Stadtvierteln in Chemnitz wie auch anderswo in Ostdeutschland werden Garagenhöfe zudem von städtischen Flächenentwicklungskonzepten bedroht; mit wenig Möglichkeiten für die Nutzer:innen dagegen Einspruch einzulegen.

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Garagen│Politiken: Konzepte und Aktionen im Kontext der Europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz 2025

Gemeinsam mit elf Studierenden der Volkskunde/Kulturgeschichte aus Jena waren Ira Spieker und Katharina Schuchardt auf Exkursion in Chemnitz. Vom 4. bis zum 6. April ging es um Themen rund um die „Kulturhauptstadtwerdung“ 2025 und natürlich um Garagen.

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