Garagen | Geschichten. Erkundungen eines Alltagsorts

Ausstellung im Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt (6. September 2024 bis 16. März 2025)

Garagenanlagen sind Stellplatz, Werkstatt, Aufbewahrungsort und Partyraum. Hinter den Toren eröffnet sich oftmals eine eigene Welt – hier ist Raum für kreatives Arbeiten, aber auch für geselliges Beisammensein. Die großen Garagenkomplexe prägen bis heute das Stadtbild insbesondere in Ostdeutschland. Aktuell sind viele dieser Anlagen jedoch vom Abriss bedroht; Pachtverträge werden nicht verlängert. Die Ausstellung erzählt Garagengeschichten von der Aufbauzeit bis heute.

Im Fokus stehen Gemeinschaft und Unterstützung, Werkeln und Basteln, Streitigkeiten und Feierlichkeiten, Verbotenes und Verborgenes. Erzählungen und Fotografien geben Einblicke in persönliche Bezüge zu diesem besonderen Ort.

Das Projekt Garagengeschichten ist eine Kooperation des Museums für Thüringer Volkskunde mit dem Seminar für Volkskunde/Kulturgeschichte der Universität Jena und dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde in Dresden (ISGV).

Save the Date: Die Ausstellung eröffnet mit einer Vernissage am 6. April 2024 um 17 Uhr.

Ungesehene Lost Places: Verlassene Garagen

Ein Gastbeitrag von Uta Bretschneider

Von hölzernen Toren blättert graue Farbe, die Teerpappe der Dächer hat Löcher, Gras und Buschwerk wachsen in Zufahrten, Bauschutt wabert von drinnen nach draußen, skelettierte PKW verweisen auf eine Mobilität der Gesternwelt: Einige Garagenkomplexe aus der Zeit der DDR haben ihre Funktion als soziale Orte, als Tu-Orte sowie als Lagerstätten für Fahrzeuge und andere Schätze schon vor Jahren verloren und fristen ein trauriges Dasein als „Lost Places“. Zugleich finden, wie an anderen verlorenen Orten, auch hier Aneignungsprozesse statt, die Spuren hinterlassen: Sprayer:innen arbeiten an den Betonwänden, Menschen entsorgen ihren Müll, Wut wird zu Vandalismus und nicht zuletzt erobert sich auch die Natur die leeren Garagenkomplexe zurück. Längst wachsen Moose, wo einst der Trabant 601 stand, versperren Birken Torflügel, sucht sich Wasser Wege.

„Ungesehene Lost Places: Verlassene Garagen“ weiterlesen

Echoes of the East

Ein Gastbeitrag von Leah Bonvin


Was haben ostdeutsche Garagenhöfe eigentlich mit dem zu tun, was das Programm der Kulturhauptstadt Chemnitz2025 Eastern State of Mind1 nennt? Dieser Frage bin ich in meiner Masterarbeit im Rahmen des Studiengangs Critical Urbanisms an der Universität Basel nachgegangen. In Zusammenarbeit mit dem Projektteam der #3000Garagen der Kulturhauptstadt untersuchte ich die Chemnitzer Garagenhöfe in Bezug auf den Begriff der Postsozialistischen Stadt. Wenn Chemnitz2025 diese als „Seele des Ostens“ mit einer „Macher-Mentalität“ und einem starken, aus der DDR übernommenen Solidaritätsgefühl beschreibt, so zeigt meine Arbeit eine differenziertere Realität als die idealisierte Darstellung dieses sogenannten Eastern State of Mind.
In meinen Feldbeobachtungen zeigt sich die Ambivalenz der derzeitigen Situation der ostdeutschen Garagen. Einerseits ist die strukturelle Lage der Anlagen fragil: Die Vorstände der Garagengemeinschaften haben große Schwierigkeiten, neue Leute für die Vorstandsarbeit zu begeistern. Parallel zu dieser langen Agonie beklagen die vor Ort angetroffenen Garagennutzer: innen den Verlust nachbarschaftlicher Beziehungen und äußern die Sehnsucht nach einer verloren Sozialität. In mehreren Stadtvierteln in Chemnitz wie auch anderswo in Ostdeutschland werden Garagenhöfe zudem von städtischen Flächenentwicklungskonzepten bedroht; mit wenig Möglichkeiten für die Nutzer:innen dagegen Einspruch einzulegen.

„Echoes of the East“ weiterlesen