Nach einem Jahr Zusammenarbeit zwischen dem Seminar für Kulturanthropologie/Kulturgeschichte der Universität Jena, dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde in Dresden und dem Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt ist die Ausstellung „Garagen|Geschichten. Erkundungen eines Alltagsortes“ seit zwei Monaten zu sehen.
In der Sammlung des Kulturhistorischen Museums Rostock findet sich unter der Nummer L 1419 eine Spielzeug-Tankstelle und -Garage. Der in großen Lettern an der Seite prangende Schriftzug „MINOL“ hilft, das Objekt zeitlich einzuordnen: Da der VEB Kombinat Minol 1956 gegründet wurde, kann das Spielzeug erst danach entstanden sein, wir schätzen um 1960. Sie wirkt auf den ersten Blick wie ein Eigenbau. Im Internet sind viele sehr ähnliche Modelle zu finden, insbesondere der Schriftzug mit seiner charakteristischen, schablonierten Form und seiner immer gleichen Farbe fällt auf. Jedoch gibt es kein zweites, baugleiches Objekt; jedes Modell ist individuell. Eine Massenfertigung lässt sich nicht erkennen. Im Gegenteil: Häufig wirkt es, als hätte man als Bodenplatte irgendein zufällig vorhandenes Stück Holz genommen. Unter dem Boden unseres Objektes findet sich dennoch ein Stempel, der den Hersteller mit Emil Neubert, Holzspielwarenfabrik ausweist. Emil Neubert hatte wohl bereits 1870 eine kleine Fabrikation in Marienberg in Sachsen gegründet,1 in dem gleichen Ort, in dem auch die bekanntere Auhagen GmbH (zunächst VEB Mamos, später VEB VERO) ihren Sitz hat.2 Es ist zu vermuten, dass unser Stück als Modellbausatz auf den Markt kam, was ein Grund dafür sein könnte, dass sich die vorhandenen Vergleichsobjekte nie vollständig ähneln. Das Spielzeug ist elektrifiziert.
Eine Garagengeschichte aus dem Sorbischen Institut in Bautzen von Theresa Jacobs und Ines Keller
Im Hinterhof des Sorbischen Instituts in Bautzen, auf der Bahnhofstraße 6, befindet sich eine Garage. Hinter dem imposanten Vorderhaus, einer Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Villa mit kleiner zu Straße hin ragenden Grünfläche und dem sich dahinter befindlichen neueren Anbau aus den 1980er Jahren sowie dem Parkplatz des Hauses schließt sich ein Park an. Es handelt sich um einen der ältesten erhaltenen Villen-Gärten Bautzens mit einer Wildblumenwiese, vielen Laubbäumen, Staudenbeeten und einem Pavillon auf einer künstlichen Anhöhe. Der sogenannte Britze-Garten ist nach der Bautzener Malerin Marianne Britze (1883-1980) benannt, die jahrelang das Gebäude bewohnte, und steht unter Denkmalschutz. Marianne Britze lebte bis zum Schluss im Dachgeschoss, auch dann noch, als bereits Räumlichkeiten für die sorabistische Forschung im Haus genutzt wurden.
Blick aus der Institutseinfahrt auf die GarageFotos: Th. Jacobs / I. Keller 2024
Angelehnt an der Steinmauer zum Nachbargrundstück wurde vermutlich ebenfalls in den 1980er Jahren eine graue Betongarage mit braunem Holztor errichtet, die heute vor allem als Stell- und Lagerfläche für Fahrräder, Gartenbänke und Gerätschaften dient. Sie wirkt wie ein Störfaktor im architektonischen, gartenbaulichen Ensemble, fällt aber wegen ihrer Schlichtheit kaum auf. Die MitarbeiterInnen kommen recht selten mit der Garage in Berührung. Nur wenige wissen nämlich, dass der Haustürschlüssel auch die Garage öffnen kann. Der Hausmeister des Instituts tritt zum Räumen und Verstauen häufiger ein und aus. Die weitere Nutzung erfolgt nur noch durch Mitglieder des Bautzner Kunstvereins, die die Betreuung des Gartens innehaben. So weit, so unspektakulär.
Abb. 1: gelb-braune Garagen-Harmonie in Erfurt-Roter Berg, Foto: Paul Meyer
Im letzten Jahr habe ich mich im Rahmen meiner Bachelorarbeit intensiv mit einem Ort auseinandergesetzt, der in der Stadtplanung nur dann eine Rolle spielt, wenn er neuen Planungen im Weg steht: Garagenanlagen aus DDR-Zeiten. Ich habe mir daher die Frage gestellt, was sie überhaupt ausmacht: Wo liegen sie im Stadtraum? In welchem Zustand befinden sie sich? Wer nutzt sie noch und wenn ja, wie? Dafür habe ich in meiner Arbeit einen für Stadtplaner*innen eher untypischen methodischen Ansatz verfolgt, der sich wohl zwischen Kulturwissenschaft und Lokalgeschichte bewegt. Entstanden ist neben theoretischen Beschreibungen durch eine räumliche Eingrenzung auf Erfurt letztlich auch eine Bestandsaufnahme, die alle Erfurter DDR-Garagenanlagen, die aus mindestens 20 Garagen bestehen, kartiert (vgl. Abb. 2).
Ausstellung im Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt (6. September 2024 bis 16. März 2025)
Garagenanlagen sind Stellplatz, Werkstatt, Aufbewahrungsort und Partyraum. Hinter den Toren eröffnet sich oftmals eine eigene Welt – hier ist Raum für kreatives Arbeiten, aber auch für geselliges Beisammensein. Die großen Garagenkomplexe prägen bis heute das Stadtbild insbesondere in Ostdeutschland. Aktuell sind viele dieser Anlagen jedoch vom Abriss bedroht; Pachtverträge werden nicht verlängert. Die Ausstellung erzählt Garagengeschichten von der Aufbauzeit bis heute.
Im Fokus stehen Gemeinschaft und Unterstützung, Werkeln und Basteln, Streitigkeiten und Feierlichkeiten, Verbotenes und Verborgenes. Erzählungen und Fotografien geben Einblicke in persönliche Bezüge zu diesem besonderen Ort.
Von hölzernen Toren blättert graue Farbe, die Teerpappe der Dächer hat Löcher, Gras und Buschwerk wachsen in Zufahrten, Bauschutt wabert von drinnen nach draußen, skelettierte PKW verweisen auf eine Mobilität der Gesternwelt: Einige Garagenkomplexe aus der Zeit der DDR haben ihre Funktion als soziale Orte, als Tu-Orte sowie als Lagerstätten für Fahrzeuge und andere Schätze schon vor Jahren verloren und fristen ein trauriges Dasein als „Lost Places“. Zugleich finden, wie an anderen verlorenen Orten, auch hier Aneignungsprozesse statt, die Spuren hinterlassen: Sprayer:innen arbeiten an den Betonwänden, Menschen entsorgen ihren Müll, Wut wird zu Vandalismus und nicht zuletzt erobert sich auch die Natur die leeren Garagenkomplexe zurück. Längst wachsen Moose, wo einst der Trabant 601 stand, versperren Birken Torflügel, sucht sich Wasser Wege.
Was haben ostdeutsche Garagenhöfe eigentlich mit dem zu tun, was das Programm der Kulturhauptstadt Chemnitz2025 Eastern State of Mind1 nennt? Dieser Frage bin ich in meiner Masterarbeit im Rahmen des Studiengangs Critical Urbanisms an der Universität Basel nachgegangen. In Zusammenarbeit mit dem Projektteam der #3000Garagen der Kulturhauptstadt untersuchte ich die Chemnitzer Garagenhöfe in Bezug auf den Begriff der Postsozialistischen Stadt. Wenn Chemnitz2025 diese als „Seele des Ostens“ mit einer „Macher-Mentalität“ und einem starken, aus der DDR übernommenen Solidaritätsgefühl beschreibt, so zeigt meine Arbeit eine differenziertere Realität als die idealisierte Darstellung dieses sogenannten Eastern State of Mind. In meinen Feldbeobachtungen zeigt sich die Ambivalenz der derzeitigen Situation der ostdeutschen Garagen. Einerseits ist die strukturelle Lage der Anlagen fragil: Die Vorstände der Garagengemeinschaften haben große Schwierigkeiten, neue Leute für die Vorstandsarbeit zu begeistern. Parallel zu dieser langen Agonie beklagen die vor Ort angetroffenen Garagennutzer: innen den Verlust nachbarschaftlicher Beziehungen und äußern die Sehnsucht nach einer verloren Sozialität. In mehreren Stadtvierteln in Chemnitz wie auch anderswo in Ostdeutschland werden Garagenhöfe zudem von städtischen Flächenentwicklungskonzepten bedroht; mit wenig Möglichkeiten für die Nutzer:innen dagegen Einspruch einzulegen.