DDR-Garagenanlagen in Erfurt

Ein Gastbeitrag von Paul Meyer

Abb. 1: gelb-braune Garagen-Harmonie in Erfurt-Roter Berg, Foto: Paul Meyer

Im letzten Jahr habe ich mich im Rahmen meiner Bachelorarbeit intensiv mit einem Ort auseinandergesetzt, der in der Stadtplanung nur dann eine Rolle spielt, wenn er neuen Planungen im Weg steht: Garagenanlagen aus DDR-Zeiten. Ich habe mir daher die Frage gestellt, was sie überhaupt ausmacht: Wo liegen sie im Stadtraum? In welchem Zustand befinden sie sich? Wer nutzt sie noch und wenn ja, wie? Dafür habe ich in meiner Arbeit einen für Stadtplaner*innen eher untypischen methodischen Ansatz verfolgt, der sich wohl zwischen Kulturwissenschaft und Lokalgeschichte bewegt. Entstanden ist neben theoretischen Beschreibungen durch eine räumliche Eingrenzung auf Erfurt letztlich auch eine Bestandsaufnahme, die alle Erfurter DDR-Garagenanlagen, die aus mindestens 20 Garagen bestehen, kartiert (vgl. Abb. 2).

Zu DDR-Zeiten wurden Garagenanlagen von ihren späteren Nutzer*innen im Kollektiv selbst errichtet, oft räumlich vom Wohnort entfernt (vgl. Abb. 3). Die Entstehung war geprägt von Herausforderungen, beispielsweiße von der langen Wartezeit auf eine Baugenehmigung oder der schwierigen Material- und Werkzeugbeschaffung für den Bau. Mit der Fertigstellung wurden viele Erfurter Anlagen vom Baustellen- zum Reparaturtreffpunkt. An kaum einem anderen Ort ließ sich die sozialistische Reparaturkultur, die für das Produzieren von Mobilität in der DDR essenziell war, so sehr ablesen wie dort. Ursprünglich dadurch entstanden, um das Auto vor Diebstahl oder Witterung zu schützen, entwickelten sich die Garagenanlagen in der durch Knappheit geprägten DDR-Automobilkultur zu einem Ort des gemeinsamen Reparierens, der Instandhaltung und des gegenseitigen Austausches von Wissen und Materialien. Die Praktiken des Selbermachens in den Erfurter Garagen existieren als immaterielles Erbe aus DDR-Zeiten teilweise bis heute. Gleichzeitig boten die Garagen den überwiegend männlichen Nutzer*innen als Rückzugs- und Entfaltungsraum Platz für Individualismus, der für die gesellschaftlichen Verhältnisse der DDR untypisch war.

Abb. 3: Garagendichte am Stadtrand in Erfurt Hohenwinden, Foto: Paul Meyer

Mit der politischen Wende 1989/1990 hat sich die Situation je nach Anlage bis heute ausdifferenziert: während vielerorts Anlagen verfallen und einen spannenden Lost Place darstellen (vgl. Abb. 4), gibt es noch immer Anlagen, in denen sich Gemeinschaften treffen – zum Schrauben und zur Pflege des Autos oder Fahrrads oder zum Bier trinken (vgl. Abb 5 und 6). Gleichzeitig ist das Weiterleben vieler Garagenanlagen durch die komplexe Rechtslage vieler Pachtverträge unsicher. Ein Großteil der ehemals staatlichen DDR-Garagengrundstücke ist mit der Wiedervereinigung in kommunales Eigentum übergegangen. Dieser Umstand führt im Zweifel dazu, dass Garagenerbauer*innen nicht mehr – wie zu DDR-Zeiten – gleichzeitig Eigentümer*innen der Garage sind. Während das Eigentum wie beispielsweise eine Garage auf fremden Boden durch Pacht in der DDR alltäglich war, sind die Bauten mit der Wende zu einem rechtlichen Sonderfall buchstäblich umgeschrieben geworden, der den Abriss und das zunehmende Verschwinden von Garagenanlagen auch aus dem Erfurter Stadtraum zugunsten neuer Flächennutzungen befördert.

Zwar wurden Garagenanlagen zu DDR-Zeiten hin und wieder Gegenstand von städtebaulichen Studien oder verkehrsplanerischen Teilkonzepten, doch spielten sie für den DDR-Städtebau insgesamt eher eine untergeordnete Rolle. Auch deswegen sind sie an Standorten weit weg von Wohnorten entstanden und nur selten von vornerein in die Planung neuer Wohngebiete integriert worden. Bis heute gibt es in Erfurt zudem keine offizielle planerische Konzeption, die den Umgang mit Garagenanlagen steuert. In meinen Gesprächen mit Vereinsvorständen und Nutzer*innen vor Ort habe ich aber gelernt, dass ein Großteil der Erfurter Garagenanlagen mehr ist als potenzielles Bauland. Es ist daher erstaunlich, dass dieses extrem spannende bauliche Erbe in der institutionellen Stadtplanung sowie der Denkmalpflege bisher keine großartige Beachtung erfährt.

Winterliche Garagenanlage in Erfurt-Ilversgehofen, Foto: Paul Meyer

Paul Meyer studierte im Bachelor Stadt- und Raumplanung an der Fachhochschule Erfurt und wird ab Herbst sein Master-Studium Raumplanung beginnen. Seine bisherigen Forschungen beschäftigten sich mit der Schnittstelle zwischen aktuellen städtebaulichen Entwicklungen und dem baulichen Erbe der DDR.


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