von Antje Reppe
Garagen sind Einstellräume für Kraftfahrzeuge, so der Konsens sprachwissenschaftlicher und juristischer Begriffserklärungen. Wie viel mehr sie noch sein können – Lost Place und „Dunkelkammer“, kreativer Freiraum, Orte des sozialen Miteinanders, sogar „Flaggschiff-Projekt“ einer europäischen Kulturhauptstadt –, verraten unter anderem Garagengeschichten: auf diesem Blog, in der Ausstellung im Museum für Thüringer Volkskunde und diversen anderen Formaten in den Sozialen Medien. Sensibilisiert durch die Beschäftigung mit Garagen im ISGV und vielleicht auch ein wenig selbst vom „Garagenfieber“ infiziert, sammelte auch ich in den letzten Wochen Impressionen von Garagen.
Garagen als Möglichkeitsraum1 – Ein Fallbeispiel
Auf meinem Arbeitsweg fiel mir auf, wie an einem Garagenkomplex in der Marienberger Straße in Dresden ein Graffiti entstand. Als ich dieses das erste Mal fotografierte, war es schon fast fertiggestellt.
Es zeigt den Schriftzug „Crank Garage“ und scheint, zwei Garagenseitenwände ausfüllend, direkt auf diese Garagen bezogen zu sein. Noch beim Fotografieren und Sinnieren über die genaue Bedeutung, fragte mich eine freundliche Stimme, ob ich etwas Bestimmtes suchen würde. Und ehe ich mich versah, fand ich eine Garagengeschichte, die der „Crank Garage“ (dt. „Kurbel-Garage“) in Dresden-Tolkewitz2:
Ein junger Mann sucht und findet in den frühen 2000er Jahren einen geeigneten Ort, um Autoumbauten durchführen zu können. Keine Seltenheit, sogenannte „Schraubergaragen“ sind hinlänglich bekannt. Geschraubt wird mit Freunden; zusammen findet man einen Namen, der zum Selbstbild der Gruppe passt; man setzt sich ein für den Erhalt und die Pflege des Garagenhofs. Der junge Mann von einst ist inzwischen der Hauptverantwortliche des Garagenkomplexes und kümmert sich neben Instandhaltungsarbeiten auch um die bürokratischen Belange der Anlage.
Es ist eine Geschichte, die in ihrem Kern vermutlich mit vielen anderen komplexen Garagenentwicklungen vergleichbar und nicht zuletzt auch deshalb erzählenswert ist. Es ist aber zugleich eine individuelle Geschichte von Initiativen und Dynamiken, von Empowerment und Möglichkeiten.
Die Geschichte noch einmal erzählt mit Detailaufnahmen:
Als Mario Greiner vor ca. 20 Jahren nach einem Ort suchte, um Autoumbauten durchzuführen, fand er diesen im Garagenkomplex auf der Marienberger Straße in Dresden. Zusammen mit Freunden verfolgte er dort verschiedene Umbauprojekte, Motorenumbauten waren (und sind) sein Spezialgebiet. So kam man gemeinsam auf die Idee, sich den Namen „Crank Garage“ zu geben, der sich auf das sogenannte cranken, das Starten von Motoren nach deren Umbau und ohne Benzindruck, bezieht.
Jahre vergehen, die Umbauprojekte entwickeln sich positiv, nicht aber die Pflege und Instandhaltung des Garagenkomplexes. So ergreift Mario Greiner vor einigen Jahre selbst die Initiative und beginnt, den Hof in Eigenleistung zu reinigen. Dynamiken kommen in Gang, der Vorstand des Komplexes stellt Werkzeug für die Pflege der Grünanlagen zur Verfügung und weitere Garagenbesitzer:innen schließen sich dem Engagement an. Heute bemühen sich viele gemeinsam um die Instandhaltungsarbeiten, der Hof ist in einem gepflegten Zustand.
Als Mario Greiner dann vor einiger Zeit auf dem benachbarten Skaterpark den Straßenkünstler RUSH beim Entstehen eines Graffitis beobachtet, ergreift er erneut die Initiative und bietet ihm an, den Schriftzug „Crank Garage“ großformatig zu gestalten. Auch macht er sich im Vorstand für die Idee stark, dem Künstler im gesamten Garagenhof legal die Möglichkeit eines künstlerischen Freiraums zu geben.
Möglichkeiten sind vielfältig, manchmal muss man sich eigene schaffen, manchmal werden sie einem geboten, ein anderes Mal lohnt es, sie offen anzubieten. Auf dem Garagenhof in Tolkewitz wurden Möglichkeiten erkannt und ergriffen. So kann Mario Greiner konzise und freudig berichten: „Es wurde zugestimmt und nun ist der Hof sauberer und bunt.“
- Anleihen zu der Überlegung Garagen als Möglichkeitsraum zu reflektieren, finden sich in der soziologischen Theorie des relationalen Raums sowie dem Zugang Möglichkeitsräume als imaginierte und gestalterische Prozesse nachhaltiger und zukunftsfähiger Entwicklungen zu betrachten. Vgl. Löw, Martina, Raumsoziologie, Frankfurt a. M. 2001; Kagan, Sacha/Kirchberg, Volker/Weisenfeld, Ursula (Hg.): Stadt als Möglichkeitsraum. Experimentierfelder einer urbanen Nachhaltigkeit, Bielefeld 2019. ↩︎
- Herzlichen Dank an die Brüder Mario und Thomas Greiner, die meiner Neugierde nicht mit Misstrauen, sondern unmittelbar mit Freundlichkeit und Auskunftsbereitschaft begegneten. ↩︎