Einige Eindrücke von der Ausstellung „Garagen|Geschichten. Erkundungen eines Alltagsortes“ im Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt

Ein Gastbeitrag von Leah Bonvin

Nach einem Jahr Zusammenarbeit zwischen dem Seminar für Kulturanthropologie/Kulturgeschichte der Universität Jena, dem Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde in Dresden und dem Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt ist die Ausstellung „Garagen|Geschichten. Erkundungen eines Alltagsortes“ seit zwei Monaten zu sehen.

Ausstellungseröffnung im Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt, 6. September 2024, Auftritt der Well Blech Big Band Erfurt, Foto: Siegbert Kuhs

Der 6. September 2024, der Eröffnungstag, war ein Tag mit strahlendem Spätsommerwetter: Während die Jenaer Seminarteilnehmer:innen unter der Leitung von Ira Spieker und Katharina Schuchardt an den letzten Details der Ausstellung arbeiteten, probte die Well Blech Big Band der Musikschule Erfurt ihr Programm. Zur Eröffnung versammelten sich mehr als 150 Personen im Innenhof des Museums, um zunächst den Begrüßungsworten der komm. Museumsdirektorin Frau Dr. Steiner-Sohn und den Redner:innen aus der Thüringer Kultur- und Wissenschaftslandschaft zuzuhören. Es sprachen Dr. Uta Bretschneider, Direktorin des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, Dr. Mark Escherich, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt Erfurt und Prof. Dr. Friedemann Schmoll, seinerzeit Inhaber des Lehrstuhls für Volkskunde (Empirische Kulturwissenschaft) an der Friedrich-Schiller Universität Jena. Dr. Mark Escherich erinnerte in seiner Rede an die Bedeutung der DDR-Architektur (einschließlich Zweckbauten wie Garagen) für das kulturelle Erbe.

Ausstellungseröffnung im Museum für Thüringer Volkskunde in Erfurt, 6. September 2024, Katharina Schuchardt, Ira Spieker (ISGV) und die Studierenden vom Lehrforschungsprojekt der FSU Jena, Foto: Siegbert Kuhs

Einer der Studierenden, die die Ausstellung konzipierten, erzählte humorvoll von den verständnislosen Reaktionen seiner Verwandten, wenn er ihnen sein Forschungsthema erklärte: „Ist das aber nicht langweilig?“ So oder so ähnlich war der Grundtenor der Eröffnungsreden, bei denen sich zunächst alle zu fragen schienen, was es denn rechtfertige, einem so unscheinbaren Objekt wie einer ostdeutschen Garage eine ganze Ausstellung zu widmen. Und doch sprachen sie vor einem mehr als garagenaffinen Publikum: An dem Abend waren lokale Garagennutzer:innen, Akteur:innen aus der Kulturlandschaft in Thüringen, Forscher:innen aus Berlin oder Göttingen, die sich dem Thema widmen sowie das Team vom Projekt #3000Garagen des Kulturhauptstadtjahres Chemnitz 2025 zu Gast.

Garagenhof in Dresden, Foto: Katharina Schuchardt.


Nach dem offiziellen Teil hatte das Publikum die Gelegenheit, die Ausstellung aus der Nähe zu betrachten. Der erste Raum, in dem auch einige Exponate aus der Sammlung des Museums zu sehen sind, ist dem Thema „Garage im Kinderspiel“ gewidmet und zeigt, wie sich die Serialität der sozialistischen Architektur mit den Konstruktionsspielen ostdeutscher Kinder verband. Serialität ist auch das Thema der ersten Fotoserie im nächsten Raum, die Garagenreihen in Vorder- und Seitenansicht, Tore oder Nummernschilder zeigt. Die 36 Fotografien erinnern an die Arbeiten der Fotografen Martin Maleschka oder Christoph Busse und ästhetisieren die Banalität der Garagen auf sehr schöne Weise.


Nach dieser Einführung kommt der Besucher zum Kern des Themas und wird mit ebenso vielen Geschichten und Anekdoten über ostdeutsche Garagen empfangen: Schwarz-Weiß-Archivfilme, die den Bau der Garagen zeigen, vor allem aber Fotos von heutigen Nutzer:innen, die mit Zitaten durchsetzt sind, die die Zerbrechlichkeit, aber auch den Widerstand der Garagenkultur zeigen. Einige Geschichten erzählen von der Arroganz westdeutscher Investoren nach der Wiedervereinigung, andere von der erträumten Gemeinschaft der goldenen Garagenära. Diese Zitate haben den Vorteil, dass sie die wichtigsten Herausforderungen im Zusammenhang mit den ostdeutschen Garagen aufzeigen: die Sehnsucht nach einem schwindenden Gemeinschaftsgefühl, die Besonderheit der Garagen im Nachwendekontext und ihre Bedeutung in der Mangelwirtschaft der DDR werden durch die Worte der Hauptakteure verständlich. Auch ihr Platz in der Welt der Bastler und Autoliebhaber wird deutlich.


Auf der gegenüberliegenden Wand ist eine Fotoarbeit zu sehen, die respektvoll Garagentore öffnet und einige Facetten des Alltags von Garagenbenutzern zeigt. Die Porträtserie von Männern vor ihren Garagen lässt im Hintergrund etwas von ihrem Innenleben erkennen. Ein Mann posiert vor seinem Motorrad, ein anderer mit seinem Modellflugzeug, wieder ein anderer vor einem Stapel Kartons. Dieser Fokus auf einige spezifische Geschichten lässt ein die Pluralität der möglichen Verwendungszwecke von Garagenhöfen erahnen.

Garagen.Biografien, Fotowand in der Ausstellung, Foto: Siegbert Kuhs

In der Mitte des Ausstellungsraums befindet sich eine nachgebaute Garage. In der aufgeräumten, ein wenig nach Ostalgie riechenden Szenerie sind ein Simson-Moped und Konservendosen zu sehen und es ist das Geräusch von Nägeln und Schrauben zu hören. Besonders hervorzuheben ist die sinnliche Erfahrbarkeit der Ausstellung: Man kann die Garagen nicht nur anfassen, sehen und hören, sondern in einer cleveren Installation aus mit Motoröl getränktem Fensterleder auch riechen.

Innenausstattung der nachgebauten Garage in der Ausstellung, Foto: Siegbert Kuhs


Kurz vor dem Ausgang findet sich ein Bereich, in dem sich die Ausstellungsmacher:innen schließlich Gedanken über die Zukunft der Garagen gemacht haben: Ausgehend vom Garagenentwicklungskonzept für die Stadt Jena zeigt eine Karte, welche Garagenstandorte mittel- und langfristig erhalten und welche abgerissen werden könnten. Die Ausstellung, die bis zum 16. März 2025 zu sehen ist, hebt die Herausforderungen im Umgang mit Garagen hervor und regt zur Diskussion über ihre Zukunft mit Politiker:innen und Bürger:innen an.


Leah Bonvin hat Anthropologie und kritische Stadtforschung an den Schweizer Universitäten Neuchâtel und Basel studiert. Sie interessiert sich besonders für Alltagslandschaften und Fragen des kulturellen Erbes in postsozialistischen Kontexten. Ihre Masterarbeit „Echoes of the East: Unearthing (Post)Socialist Heritage in Chemnitz‘ Garages“ ist das Ergebnis einer mehrmonatigen Recherche in Chemnitz. 

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